Tagesfahrten zu den großen Künstlern
Die Bustouristik setzt im Corona-Winter auf Ausstellungen und Ziele in Deutschland
Wegen Corona sind Busreisen zu Weihnachtsmärkten oder auf Skipisten in Frage gestellt und die Politik rät von einem Urlaub im Ausland ab. Die Branche reagiert darauf mit alternativen Angeboten wie Ausstellungen, Museen und anderen Zielen in Deutschland. Auch wenn die Kunden für diese Reisen höhere Preise akzeptieren: Ohne staatliche Unterstützung kommen die Busreiseveranstalter nicht durch den Winter.
Druckgrafiken des französischen Rokoko in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Kandinsky im Münchner Lenbachhaus oder Andy Warhol im Museum Ludwig in Köln: Der Winterkatalog von Merz Reisen im bayerischen Gnadenberg wird von Tagesfahrten zu Ausstellungen und Museen dominiert. „Einige dieser Ausstellungen werden nicht verlängert“, stellt Patricia Ehbauer fest. „Deshalb werden diese Reisen jetzt von vielen Kunstfreunden gebucht“, erklärt die Geschäftsführerin des traditionsreichen Busunternehmens, das 2019 seine Gründung vor 90 Jahren gefeiert hat.
Abgesehen von ein paar Reisen in die Schweiz bietet Ehbauer ihren Kunden in diesem Winter ausschließlich Ziele innerhalb Deutschlands an, vor allem im Norden. Ende Oktober ist einer ihrer Reisebusse nach Usedom unterwegs. „So etwas hätten die Bayern vor Corona nie gemacht“, betont die Busunternehmerin.
Die Kunden bekommen ihr Geld zurück
Ehbauer hat zwölf Reisebusse, kurz vor Ausbruch der Pandemie hat sie noch in hochwertige Neufahrzeuge investiert. Derzeit sind nur drei ihrer Reisebusse im Einsatz. Und da ihre Gäste einzeln sitzen wollen, sind die Fahrzeuge mit geringer Auslastung unterwegs. Um wenigstens einigermaßen betriebswirtschaftlich kalkulieren zu können, hat Ehbauer ihre Preise um zehn Prozent angehoben.
Als Busreisen im Frühjahr komplett verboten wurden, musste Ehbauer mehr als 130 Reisen absagen. „Sobald die Infektionszahlen steigen und die Politik vor dem Reisen warnt, wird von den Kunden storniert“, beobachtet die Unternehmerin. „Der ganze August war ein Alptraum.“ Für stornierte Reisen hat sie ihren Kunden mehr als eine halbe Million Euro zurückgezahlt. Etwa ein Viertel der Kunden hat sich als Ersatz für eine abgesagte Reise für einen Gutschein mit zehn Prozent Rabatt entschieden.
Den größten Teil ihrer Reisebus-Chauffeure setzt Ehbauer jetzt im Linienverkehr ein, andere helfen in Speditionen als LKW-Fahrer aus, ein großer Teil des Personals ist in Kurzarbeit. Wie viele ihrer Kollegen aus der Branche beklagt auch Ehbauer die hohen bürokratischen Hürden, die überwunden werden müssen, um endlich Gelder aus der staatlichen Corona-Hilfe zu erhalten. Trotzdem freut sie sich, dass sie aus diesem Fonds wenigstens 330.000 Euro bekommen hat. „Das ist zwar ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin kann ich damit meine Kredite bezahlen.“
Mit Filtern und UV-Licht gegen Viren
Auf Reisewarnungen und Veranstaltungsverbote reagiert die Bustouristik mit einem hohen Maß an Flexibilität in der Programmgestaltung. „Mit Hygienekonzepten versuchen wir, den Kunden die Angst vor dem Busreisen zu nehmen“, sagt Hermann Meyering. „Um das Risiko einer Infektion mit dem Coroma-Virus in den Fahrzeugen zu reduzieren, entwickeln die Bushersteller ihre hochwertigen Lüftungssysteme permanent weiter“, erklärt der Vorsitzende der Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk). So rüstet Evobus seine Neufahrzeuge mit Feinfiltern aus, die mit einer antiviralen Beschichtung versehen sind und Aerosole austrocknen und damit unschädlich machen. Mit diesen Filtern, die in Reisebussen aller Marken funktionieren, können auch gebrauchte Fahrzeuge nachgerüstet werden. Für zusätzliche Sicherheit sorgen UV-Strahler, die gefährliche Viren im Reisebus abtöten. Oder Ozongeräte, mit denen die Fahrzeuge über Nacht desinfiziert werden.
Zahlreiche Busunternehmer berichten, dass ihr Herbst- und Wintergeschäft gegen Null tendiert. Zumal auch Vereine und Schulklassen kaum noch Ausflüge buchen. Und während sich manche Reisegäste mittlerweile an den Mund-Nasen-Schutz gewöhnt haben, schrecken viele potentielle Kunden wegen der Maskenpflicht vor einer Busreise zurück.
Damit die Busunternehmer den Winter ohne Pleitewelle überstehen, fordern ihre Verbände, dass die Regierung bei den Hilfszahlungen nochmal kräftig nachlegt und dabei auch jene Unternehmen berücksichtigt, die ihren Fuhrpark bereits abbezahlt haben. „Die aktuelle Förderpraxis erhebt Schulden zum Kriterium einer Erstattung der Vorhaltekosten und bestraft damit die Firmen, die solide gewirtschaftet haben“, kritisiert Meyering. „Auch müssen die monatlichen Überbrückungshilfen von maximal 50.000 Euro auf jede Betriebsstätte eines Unternehmensverbundes ausgeweitet werden.“
Zudem unterstützt die gbk die Forderung des Deutschen Reiseverbands (DRV), der unter dem Motto „Corona-Tests statt Stubenarrest“ die geplante Änderung der Einreisebestimmung für Rückkehrer aus Risikogebieten ablehnt. Zwar dürfen Reiserückkehrer ab dem 15. Oktober nach den Plänen der Bundesregierung ihre zweiwöchige Quarantäne vorzeitig beenden, sobald das negative Ergebnis eines Corona-Tests vorliegt, dem sie sich frühestens am fünften Tag nach ihrer Einreise unterziehen können. „Doch wenn alle Touristen wie bisher nach ihrem Urlaub direkt bei der Einreise nach Deutschland auf das Virus getestet werden, kann ihnen eine Zwangsquarantäne komplett erspart bleiben“, betont Hermann Meyering.